Praktikumsbericht Ann-Sophie Weihe

 

Anfang Januar fing ich an zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kinder noch Ferien. Bis Mitte Februar bestand meine Arbeit aus der Vorbereitung auf das bevorstehende Semester (dabei gehörte das Aufräumen der Schule genauso dazu wie die theoretische Vorbereitung auf die Praxis - z.B. das Ausarbeiten vom Stundenplan, was für Unterricht in der Schule angeboten wird).

Mitte Februar kehrten die Kinder aus den Ferien zurück und meine eigentliche Arbeit begann. Am Anfang (ca. zwei Wochen lang) war ich in den Stunden immer mit einer anderen Lehrerin zusammen.

Den Kunstunterricht bereiteten wir (Rosa und ich) gemeinsam vor und die folgende Stunde führte sie dann durch, wobei ich ihr helfend zur Seite stand. Im„ Momento Ludico" (betreute Spielstunde) begleiteten wir die Kinder gemeinsam.

Vergleiche ich den Anfang mit der späteren Situation , so war vieles unstrukturierter, musste sich erst mal einfahren, d. h. ein richtiger Alltag einkehren, was den Ablauf der Aktivitäten in der Schule anging.

Ich versuchte möglichst viel mit den Kindern gemeinsam zu tun. So spielte ich mit den Kindern, die beim Fußballspiel im Sportunterricht nicht teilnahmen, Volleyball oder organisierte andere Spiele. Auch in den ersten Wochen fing ich schon an die Morgen - und Nachmittagsmeditation mit ein wenig Unterstützung von Rosa zu leiten.

Nach diesen zwei Wochen fuhr ich für 10 Tage in den Süden des Landes um dort am Praktikantentreffen in der Nähe von Porto Alegre teilzunehmen.

Mit meiner Rückkehr fing gleichzeitig ein neuer Abschnitt meiner Arbeit in der Schule an. Ich bekam mehr Verantwortung übertragen.

Die Vormittags - und Nachmittagsgruppe wurden beim Ankommen in drei Kleingruppen unterteilt, mit denen dann eine kleine „Meditation" durchgeführt wurde (Dauer ungefähr 15 Minuten). In dieser Zeit hörten wir Musik, unterhielten uns, es wurde vorgelesen, gebetet, gesungen, zusammen nachgedacht und über wichtige Themen gesprochen (z.B. über andere Kulturen). Die Kinder nutzten die Zeit um sich zu entspannen oder erzählten, was sie unbedingt loswerden wollten. Die Meditation bedeutete ein gemeinsames Beginnen des Schultages. Ich habe vormittags und nachmittags jeweils eine eigene Meditationsgruppe gehabt, mit denen ich gearbeitet habe. Meine Beziehung zu den Kindern hat sich dadurch intensiviert, da ich in dieser Zeit ihre Ansprechperson war und sie mir von Geschehnissen und Erlebnissen berichteten, die sie bewegten.

Es war nicht nur einfach, da gerade die Jungen der Nachmittagsgruppe schwer im Zaum zu halten waren. Besonders bei der Vormittagsgruppe ließ sich eine positive Entwicklung erkennen, da sie, wenn sie im Klassenraum ankamen , sich gleich im Kreis zusammensetzten und zuhörten ohne Unsinn zu machen.

Montags und mittwochs habe ich sowohl vormittags als auch nachmittags eineinhalb Stunden mit zwei verschiedenen Gruppen alleine gearbeitet (pro Gruppe 45 Minuten). Der„ Momento Ludico" wird von den Kindern sehr geliebt. Man kann sagen, dass dies eine organisierte Spielstunde ist, in der man die Kinder zusammenführt und versucht sie in das Miteinander- Spielen einzuführen. Ihre größten Schwierigkeiten liegen nämlich im Zusammenleben mit den anderen Kindern. So war ich in diesem Moment Organisatorin, Konfliktlöserin, Beobachterin, aber auch Teilnehmende. im sozialen Miteinander stoßen die Kinder auf starke Schwierigkeiten. In der Zeit des„ Momento Ludico" lernen sie sich auf spielerische Art und Weise sich zu arrangieren und Kompromisse zu schließen. Sie lieben es zu spielen und da es den meisten Spaß bringt mit einer anderen Person zusammen zu

spielen, sind sie darauf angewiesen Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen, sondern sich ihnen zu stellen. Das hat nicht immer geklappt, doch habe ich über eine längeren Zeitraum in fast allen Gruppen eine positive Entwicklung beobachten können.

Über einen langen Zeitraum habe ich zweimal in der Woche in der Zeit des Capoeiraunterrichts für die Schüler, die dieses Angebot nicht wahrnahmen, Nachhilfe zusammen mit Rosa oder Veronica gegeben: Montags (vormittags und nachmittags) eineinhalb Stunden mit Rosa, am Donnerstag die gleiche Zeitspanne gemeinsam mit Veronica. Mittwochs habe ich selbst am Capoeiraunterricht teilgenommen. An diesem Tag arbeiteten Rosa und Veronica zusammen.

 

Capoeira-Unterricht


Die Nachhilfe ist ein wichtiger Teil im Stundenplan der Kinder, da viele längst nicht auf dem Wissensstand der Klasse sind, in der sie sich zur Zeit befinden. Viele habe große Schwierigkeiten mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen. Mit der Zeit hat man einen eigenen Eindruck von jedem Nachhilfeschüler bekommen, so dass man besser seine individuellen Probleme einschätzen konnte. So fing ich an für die Kleinen (Kinder der 1. - 3. Klasse) vor dem Unterricht Papiere mit Aufgaben abgestimmt auf ihre individuellen Probleme zusammenzustellen. Viele Kinder geben bei den kleinsten Schwierigkeiten, die sich ihnen in den Weg stellen, auf. Wenn sie aber schaffen diese etwas schwierige Phase zu überwinden, haben sie auf einmal einen großen Ehrgeiz und den Willen mehr zu machen und damit mehr für sich zu schaffen. Dieser Moment war immer ein tolles Erlebnis für mich, weshalb ich immer gerne Nachhilfe gegeben habe. Auch weil man gerade in diesen Stunden Zeit fand sich mit Einzelnen intensiver zu beschäftigen und Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Auch gab es Schwierigkeiten z.B. mit Kindern, die nicht am Unterricht teilnehmen wollten, doch im Rückblick sehe ich diese Probleme noch mehr als positive Herausforderung an, der wir uns stellen mussten. Des weiteren habe ich mit Rosa Kunstunterricht (dienstags 45 Minuten am Morgen, 45 Minuten am Nachmittag) für die Klasse der Großen (Kinder und Jugendliche der 6. - 8. Klasse) gegeben. Am Anfang bereiteten wir diesen gemeinsam vor, später habe ich den Unterricht oft alleine vorbereitet und alleine durchgeführt (Rosa ging abends in der Woche immer noch in die Schule um ihr„ Abi" nachzumachen, so versuchte ich ihr mit der Vorbereitung des Unterrichts unter die Arme zu greifen). Dabei entwarfen wir Mandalas, bauten Masken, malten Karten für den Muttertag, ... Dieser Teil meiner Arbeit hat mir wohl mit am meisten Spaß gemacht, da ich selbst sehr gerne kreativ tätig bin. Außerdem war es eine wunderbare Aufgabe die Anleitung für diesen Moment zu übernehmen, in denen die Kinder Sachen kreiert und gestaltet haben und so ihrer Kreativität freien Lauf gelassen haben. Ich denke, es war eine Erfahrung auf beiden Seiten, die sehr wichtig für mich und auch die Kinder war.

Einmal in der Woche (Dienstag vormittags 45 Minuten und am Nachmittag auch noch mal 45 Minuten) haben Rosa und ich mit der Klasse der Großen im Gemüsebeet der Schule gearbeitet. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag für die Kinder darin, ihr Verantwortungsgefühl für die Schule zu stärken. Die Arbeit beinhaltete das Entfernen von Unkraut, das Setzen von Samen und sonstigen kleinen Arbeiten in der Schule, die mit den Händen erledigt werden konnten.  

Capoeira-Übung

Zweimal in der Woche gab es Sportunterricht (Dienstag eineinhalb Stunden am Vormittag und Nachmittag und Donnerstag im gleichen Zeitraum). Der Sportlehrer Jailson organisierte dann das Fußballspiel für die Jungen, die interessiert daran waren teilzunehmen (der größte Teil von ihnen liebt Fußball). Die restlichen Kinder (vor allem die Mädchen und ein Teil der Jungen, die nicht gerne Fußball spielen) beschäftigen sich auf dem Gelände alleine, wobei Veronica und ich immer auf sie aufgepasst oder Spiele mit ihnen organisiert haben. Oft fehlte der Sportlehrer, so dass wir den Hauptteil der Leitung des Sportunterrichts regelmäßig übernehmen mussten. Das war nicht immer sehr einfach, weil die Jungen z.B. beim Fußballspielen nur ans Gewinnen denken und demnach auch die Teams einteilen, so dass oftmals viele ganz schwache Spieler gegen ganz viele Starke spielen. Durch diese Konflikte, die immer gelöst werden mussten, haben sich aber auch die Beziehungen zu den Kindern intensiviert (komischerweise habe ich mich oftmals mit den Kindern, die anfangs am schwierigsten waren, am Ende am besten verstanden).Für die Kinder, die nicht am Fußballspiel teilnahmen, ist der Sportunterricht ein etwas freier gestalteter Moment, den einige auch gerne nutzten um Unsinn zu machen. Es gab jedoch auch viele, die es ganz ohne Hilfe schafften ein Volleyballspiel zu organisieren und ohne größere Probleme durchzuführen.

Kunstunterricht

 

In diesem Moment waren wir auch viel im Gespräch mit den Kindern und haben sie so besser kennen gelernt. Auch mussten wir in vielen Augenblicken als Konfliktlöserinnen agieren, da es viele Kinder noch nicht schaffen für ihre Probleme friedlich eine Lösung zu finden. Dann wird sich gerne der Gewalt bedient um den Konflikt auszutragen.

Freitag morgens gab es immer eine Versammlung der Lehrerequipe der Schule, in der die zurückliegende Woche besprochen wurde und andere wichtige Angelegenheiten im Bezug auf die Schule zur Sprache kamen. Dort war immer Raum zum Äußern von Zweifeln, Enttäuschungen, Problemen, aber auch um positive Veränderungen zu bewerten und neue Kraft zu schöpfen. Die aktive Teilnahme an der Versammlung gehörte also ebenso zu meinem Aufgabenbereich. Freitag nachmittags haben wir aufgeteilt in zwei Gruppen (Rosa und ich, Cristiane und Veronica) Besuche bei den Kindern zu Hause gemacht. Diese wohnen zum größten Teil in den ärmeren Stadtteilen. Der Zweck dieser Besuche ist die Umgebung, in dem die Kinder leben, besser kennen zu lernen und dadurch bestimmte Verhaltensweisen ihrerseits verstehen zu lernen. Bei den Besuchen ist man im Gespräch und erzählt, wie das Kind sich in der Schule verhält (positive und negative Veränderungen). Außerdem füllt man mit den Eltern ein Formblatt aus, auf dem die Daten der Familie und Information über die Konditionen der Familie festgehalten werden. Diese Blätter werden danach im Archiv der Schule aufbewahrt und bei Bedarf hervorgeholt.

Eine besondere Erfahrung für mich war, als ich einmal die Verantwortung übertragen bekommen habe, einen Besuch alleine zu machen, was noch intensiver war als zu zweit.

Ein Teil der Arbeit bestand auch darin sich mit den Kindern auf besondere Tage vorzubereiten. Am Muttertag haben wir z. B. eine Präsentation mit den Kindern für die Mütter gemacht. Dabei war meine Aufgabe mit der Klasse der Großen (des Vormittags und des Nachmittags) auf der künstlerischen Ebene etwas zu präsentieren. So malten und bastelten wir Plakate mit Gedichten, die wir danach vorstellten.

Zum täglichen Alltag gehörte auch das Essen auszuteilen, den gesungenen Segen vor dem Essen anzuleiten, aufzupassen und zu koordinieren. Ein offenes Ohr für die Probleme der Kinder zu haben gehörte genauso dazu wie das Verarzten von Verletzten (die Kinder haben so gut wie immer kleine oder größere Wunden, manchmal fragt man sich, ob sie wirklich nur vom Fahrrad gefallen sind oder es die Folgen der Schläge der Eltern sind ). Dies stellte eine besondere Nähe zwischen Lehrerin und Schüler dar, in dem andere Kinder immer gerne andächtig oder neugierig zu schauten und man großen Dank danach erhielt (das merkte man

manchmal in der Veränderung des Verhaltens eines Schülers zur Lehrerin oder in einer Umarmung oder einem Kuss).

Dann begleitete ich die Kinder lange Zeit einmal in der Woche (vormittags, nachmittags) im Capoeiraunterricht, wobei ich selbst als Schülerin teilnahm. Vor einiger Zeit wurde der Nachhilfeunterricht in der Zeit der Capoeira abgeschafft. Veronica und ich fingen daraufhin an sechsmal (dreimal morgens, dreimal nachmittags) in der Woche mit den Kindern Capoeira zu trainieren (wobei wir zusätzlich noch abends viermal in der Academia trainiert haben). Mit den Kindern gemeinsam in einem Lernprozess zu sein, eigene Enttäuschung oder Unzufriedenheit mit den eigenen Leistungen zu erleben, aber auf der anderen Seite auch Erfolge zu feiern, war eine ganz tiefe Erfahrung für mich.