Liebe Pastoren und Freunde,

 

Nach unendlichem Leid mit dem brasilianischen Internet schaffen wir es vielleicht, heute unseren Bericht über die Escola para Vida durchzubringen, sogar mit Fotos!!!

 

Da wir der Einfachheit halber nicht einzelne Berichte schreiben wollten, haben wir einen Bericht verfasst, der als Gemeindegruß in den ev. lutherischen Gemeinden Einbeck, Markoldendorf und Dassel publiziert werden darf und soll sowie für das ELM Herrmannsburg und dem Freundeskreis Amelith als Information über die Escola para Vida dienen kann und möchte.  

 

Viel Freude beim lesen, wünschen Maike & John

 

 

Escola para Vida

 

Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem soll ich mich fürchten?

Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?

 

Bald vier Monate verbringen  wir schon im nordwestlichen Teil von Brasilien im Bundesstaat Rondônia in der Stadt Ariquemes. Dem Tropenklima und der Escola para Vida (zu dt. Lebensschule) können wir schon vieles abgewinnen. Vor allen Dingen die Herausforderungen im Alltag sind spannend und aufregend: Wir merken trotz der Wärme und der Lebensfreude Brasiliens ,das es kein Urlaub ist, sondern ein Stück Leben in einem zuvor noch fremden Land. Das Kennenlernen der brasilianischen Kultur ist in dieser Zeit ein Licht, das jeden Tag stärker leuchtet und uns führt und uns so jeden Tag mehr erkennen lässt von dem, was uns fürchten lies und lässt. Sprachbarrieren werden langsam überwunden, wir werden heimisch und das erkennt man auch daran, dass die  Mücken uns nicht mehr auffressen wie zu Beginn. Sie haben sich an uns gewöhnt oder wir uns an sie.

Das Leben nimmt auch in einer für uns scheinbar anderen Welt jeden Tag seinen Lauf und die Probleme sind nicht größer noch kleiner, vielleicht einfach nur anders oder fremder als in Deutschland. Deshalb graut uns im Moment vor gar nichts, vielleicht jedoch ein bisschen vor der Abreise.  Beginnt das Spiel dann von Neuem? Oft ist die Rückkehr  schwerer als die Ankunft. Wir aber vertrauen auf die Rückkehr, denn wir wissen, dass wir nicht alleine sind.  Bis dahin dauert es aber noch und deswegen würden wir gerne ein wenig von unserer Zeit berichten.

 

Die Escola para Vida bietet  100 Kindern aus Familien mit geringem Einkommen vormittags und nachmittags eine pädagogische Betreuung und eine warme Mahlzeit. In etwa ist dies vergleichbar mit der Arbeit und den Aufgaben eines Kinderhorts in Deutschland. Gemeinsam beginnen wir den Vormittag und Nachmittag mit einer kleinen Andacht, bei der singen, beten und Geschichten hören im Vordergrund der Gemeinschaft stehen. Die Kinder erhalten Unterstützung bei ihren Hausaufgaben und lernen in altersentsprechenden Gruppen Portugiesisch, Mathematik, Religion, Nähen, Basteln und Lesen. Natürlich dürfen in Brasilien Fußball, Sport und Spiel nicht fehlen.

Alles zusammen mit viel Gutmütigkeit ist oft ein Ausgleich zu dem, was die Kinder in der allgemeinen Schule oder zu Hause erfahren. Dort machen sie oft keine guten Erfahrungen mit Gewalt, Drogen, zerrütteten Familienverhältnissen, Kriminalität und Krankheit. Daran müssen wir uns oft erinnern, um die nötige Geduld für die Kinder aufzubringen. Manchmal fühlen wir uns in unserer Rolle machtlos und ratlos. Familiäre und schulische Probleme erzeugen ein auffälliges Verhalten bei den Kindern und das ist anstrengend.  Wie kann ich eine Autorität für die Kinder darstellen, wenn ich so fremd für sie bin und sie z.B. nicht schlage, anbrülle oder naiv bestrafe wie sie es von  zu Hause kennen? Wie ist es wenn ich mit ihnen darüber sprechen möchte und es nicht kann aufgrund von Sprachbarrieren? Was ist zu tun, wenn die Probleme der Kinder teilweise therapeutisch behandelt werden müssten? Welche Rolle spiele ich hier eigentlich?

 

Rebellisch, laut und unkontrollierbar können diese Kinder sein, so dass dem ganzen Team leicht das Ruder entgleiten kann, und die liebenswerten und herzlichen Seiten der Kinder einfach untergehen. In dieser Situation kommen wir dann furchtlos mit Vorschlägen und Verbesserungen, wie die Probleme gelöst werden können. Oh nein - dabei fühlten wir uns nicht wohl in unserer Haut, wir, die Ausländer, die alles besser wissen. Haben wir den nötigen Respekt verloren, davor dass jede Kultur ihre eigenen Lösungsmöglichkeiten parat hält und Probleme selbst lösen kann? Haben wir Erfahrungen mit Straßenkindern in Deutschland? Sprechen und verstehen wir Brasilianisch-Portugiesisch wie ein Brasilianer? Haben wir überhaupt eine Ahnung was sich hinter unserem begrenzten Horizont von Brasilien abspielt?

 

Aber plötzlich werden unsere Ideen und Vorschläge dankend angenommen und wir sitzen mit allen in einem Boot. Es nennt sich Cross-Culture, wenn zwei Kulturen aufeinander zugehen und von beide Seiten lernwillig und offen für den interkulturellen Dialog miteinander sind. Denn mittlerweile akzeptieren wir unsere Verschiedenheit und kommen uns dadurch näher.

Wir wissen nicht, wohin uns das Boot bringt, das wir gemeinsam bestiegen haben, aber zumindest fahren wir mit, und ein beruhigendes Gefühl stellt sich für uns ein, dass man heutzutage doch noch in kleinen Schritten die Welt verbessern kann, um Toleranz und Frieden füreinander und miteinander zu gestalten. Amen - Zugegeben auch wenn es nur im Kleinen in der Escola para Vida geschieht:

Ein gemeinsamer Gruppenvertrag mit den Kindern, der konsequent eingehalten wird, schaffte ein besseres Arbeits- und Lebensklima und das war viel wert.

Wir haben darauf hin mit einem Kunstprojekt begonnen, bei dem die Kindern gemeinsam in ihren Gruppen ein Riesenmandala gestalten. Bald sind wir fertig und schon jetzt sehr zufrieden damit.

Hauptsächlich aber bereiten wir gerade ein Fotoprojekt vor, in dem jedes Kind einen Interviewfragebogen erhält und die Fragen in Fotosprache beantworten soll. Zum Beispiel funktioniert das wie folgt: Was findest Du schön? Das Kind macht ein Foto. Wo wohnst Du? Das Kind antwortet mit einem Foto. Wer bist du? Das Kind  antwortet in Fotosprache. All dies soll dabei helfen, dass die Kinder durch ihre Bilder  ihre eigene Lebenswelt erkennen und verstehen lernen. Im zweiten Schritt, nach einer Auswertung und Gesprächen, möchten wir dann die Kinder zum Theaterspielen motivieren, um nicht mehr Zuschauer in ihrer Welt zu bleiben, sondern aktiv zu werden und dadurch gemeinsam Lösungen für Probleme zu suchen und Veränderungsmöglichkeiten in ihrer Welt aufzuzeigen. Theater ist “Üben für das Leben” und das steht ihnen ja schließlich allen noch bevor! Vielleicht steht am Ende eine Aufführung, zu der die Eltern eingeladen werden und ihnen und uns ein Spiegel dessen, was die Kinder erleben, vorgehalten wird. In der kommenden Zeit soll außerdem noch die Bewegungsbaustelle eingerichtet werden.. Sie wurde schon auf den Namen “Parquinho de movemento” getauft und beschreibt es vom Klang besser als die deutsche Bezeichnung. Das Prinzip ist einfach, denn die Kinder bekommen das Material und die Fläche, sich ihre eigenen Spielräume aus Holzplatten, Stäben, Seilen, Regentonnen, Kisten und Reifen zu bauen. Jeden Tag können so Raumschiffe, Boote, Autos, Wippen, Schaukeln, Karren, und alles Mögliche von den Kindern gebaut und bespielt werden.

Dies Dinge wurden nur durch die Unterstützung von Menschen und Freunden aus unserer Region ermöglicht.

 

Dafür bedanken wir uns persönlich und im Namen der Escola para Vida bei der Taufgemeinde der KUF 2005 in Dassel und der Gemeinde Markoldendorf für ihre Spenden, die dafür zum Einsatz gekommen sind.

Ende September und/oder Anfang Oktober wollen wir die interessanten Fotos von den Kindern der Escola para Vida ausstellen und dazu berichten, was sich hinter dem einen oder anderen Foto versteckt. Dazu möchten wir alle Interessierten schon jetzt herzlich einladen. Die genauen Daten werden hierfür noch bekannt gegeben. 

Mit sonnigen Grüssen aus dem Norden Brasiliens

 

Maike Reddig und John Deppe

 

Fotos von Maike Reddig und John Deppe